„Referentenentwurf zur Klinikreform trägt der Vielfalt der Kliniklandschaft nicht ausreichend Rechnung“

Referent Prof. Dr. Boris Augurzky nimmt Anregungen aus dem Dialog mit VPKA-Mitgliedern mit in die Regierungskommission

München – In der vergangenen Woche referierte Prof. Dr. Boris Augurzky, Leiter „Gesundheit“ am RWI, Geschäftsführer des Institute for Health Business (hcb) sowie Mitglied der „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsge-rechte Krankenhausversorgung“ vor rund 60 Teilnehmenden aus Mitgliedseinrichtungen des VPKA über das Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG). Dabei beleuchtete er einige für die Privatkliniken relevante Details und wies auf mögliche Fallstricke hin. Die Veranstaltung zeigte deutlich: Der große Facettenreichtum der Klinikland-schaft sowie mehrere der existierenden Sonderfälle finden im aktuellen Referentenentwurf an vielen Stellen noch nicht ausreichend Berücksichtigung. Prof. Augurzky nahm Impulse der teilnehmenden Klinikvertreter auf, um diese in der Regierungskommission zu Gehör zu bringen.


In seinen Ausführungen bezog sich Prof. Augurzky auf den Stand des 180-seitigen Referentenentwurfs zur Krankenhausreform vom 13. März 2024. Bei der nächsten Anhörung in Berlin werde erneut „die große Richtung“ besprochen. Im Anschluss seien noch Feinjustierungen auf der Arbeitsebene nötig.

Thema Leistungsgruppen
Bezüglich der geplanten Einführung bundeseinheitlicher Leis-tungsgruppen auf Basis des NRW-Modells gebe es im derzeitigen Referentenentwurf noch wichtige zu diskutierende Punkte. Insgesamt sei seine Wahrnehmung, dass in den Bundesländern „durchaus die Neigung“ bestehe, die Systematik aus NRW in die Krankenhausplanung zu übernehmen. Die Idee, dass irgendwann alle Bundesländer nach demselben Schema planen, werde grundsätzlich als Fortschritt erachtet, da somit künftig ein Austausch auch über Landesgrenzen hinweg stattfinden kann. 

Mittlerweile wurden die zunächst 60 somatischen Leistungsgrup-pen um fünf weitere ergänzt (Infektiologie, Notfallmedizin, Spezielle Traumatologie, Spezielle Kinder- und Jugendmedizin, Spezielle Kinder- und Jugendchirurgie). Die Mindestanforderungen für die Zuordnung zu einer Leistungsgruppe (personelle und apparative Ausstattung, und neu: Mindestvorhaltezahlen) stellen jedoch besonders die kleineren Einrichtungen und Fachkliniken vor Probleme. Kritisch ist in diesem Zusammenhang: die Krankenhäuser müssen dem MD melden, wenn Kriterien für mehr als einen Monat nicht eingehalten werden können. Kleineren Anbietern riet Prof. Augurzky, auf hohe Fallzahlen in einem Segment zu setzen. 

Um spezialisierte Leistung erbringen zu können, wird es für einige Häuser unumgänglich sein, verwandte Leistungsgruppen anzubieten. Eine Möglichkeit, um diese zu erhalten, besteht in der Zusammenarbeit mit Kooperationspartnern. Bei diesen muss es sich um ein Krankenhaus, eine Praxis oder ein MVZ handeln und der Vertrag muss auf Dauer angelegt sein. Für kleinere Kliniken könne es von Vorteil sein, auf diese Weise an größere Versorger „anzudocken“, so der Referent. Auch telemedizinische Koopera-tionen sind möglich. Die Frage, ob die Kriterien auch durch Kooperation mit Belegkliniken erfüllt werden können, konnte nicht mit Sicherheit beantwortet werden. Der Grund: zu einigen Fragen gibt es noch keine klaren Regelungen. 

Insgesamt sei es wichtig, bei Kooperationen „nicht nur auf eine Karte zu setzen“, sondern sich durch mehrere entsprechende Kooperationen abzusichern, so Prof. Augurzky. Denn sollte der vorhaltende Kooperationspartner eine Leistungsgruppe verlieren, bricht diese auch für die kooperierende Einrichtung weg. Auch könnten regionale Vernetzungen von Vorteil sein, so sein Hinweis, da bei mehreren Anbietern in einem Gebiet derjenige priorisiert wird, der regionale Kooperationen hat.

Thema Vorhaltefinanzierung
Vorhaltefinanzierung schafft Anreiz für Kliniken und Bundesländer, Leistungsgruppen zu bündeln, um kostendeckend arbeiten zu können. Auch bei diesem Thema seien noch wichtige Punkte zu diskutieren, so Augurzky. Gemäß dem Referentenentwurf werden Vorhaltebudgets (VB) auf Standortebene erstmalig nach der Fallzahl und Vorhalte-CMI bestimmt. Danach erfolgt die An-passung alle drei Jahre, mit einem Fallzahlkorridor von +/-20%. Eine lokale Reduktion führt dazu, dass die VB aller Standorte im eigenen und in Nachbarbundesländern neu kalibriert werden; dies widerspricht der Fallmengenunabhängigkeit der Vorhaltebudgets, warnte er. Seiner Meinung nach könnte der Gesetzgeber die regionale Schwerpunktbildung durch Verlagerung von Leistungsgruppen zwischen zwei Standorten besser unterstützen, indem das an die Leistungsgruppe gebundene Vorhaltebudget mitwandern und für mindestens drei Jahre am neuen Standort behalten werden kann. Wichtig zu berücksichtigen wäre aus seiner Sicht überdies, das Vorhaltebudget auf Landesebene nicht jährlich anzupassen. Insbesondere solle es nicht abgesenkt werden, wenn Krankenhäuser ambulantisieren bzw. mehrheitlich an die untere Korridorgrenze gehen. 

Impulse aus dem Auditorium
Besondere Einrichtungen, individuell verhandelte Entgelte
Eine der Anregungen aus dem Auditorium lautete, den derzeit noch ungeklärten Status der Besonderen Einrichtungen zu klären. Auch hier müssten die Entgelte der Tarifsteigerungen refinanziert und die Basisfallwerte entsprechend angepasst werden, so die Forderung. Das gleiche gilt für die PEPPs und die individuell verhandelten Entgelte. Auch die Frage, wie individuell verhandelte Erlöse (außerhalb Besonderer Einrichtungen, zum Beispiel in Fachkliniken) im Rahmen der Kalkulation der Vorhaltebudgets berücksichtigt werden, sei noch zu klären. 

Psychosomatik und Psychiatrie
Der Bereich Psychosomatik müsse komplett aus der Reform ausgeklammert bleiben und nicht über die NRW-Leistungsgruppen doch noch hereinkommen - zumindest aber sollten die Leistungsgruppen Psychosomatik und Psychiatrie getrennt werden. Dieses Beispiel zeigt (wie auch der Leistungsbereich der Phase B, neurologische Frühreha), dass Einheitlichkeit über Bundesebene kein sinnvoller Weg ist, wenn die Rahmenbedingungen auf Landesebene nicht einheitlich sind. 

Berufsgruppen
Klarheit sollte geschaffen werden über die Frage, welche Berufsgruppen bei den ärztlichen Vorgaben berücksichtigt werden können und ob Kooperationen auch über Belegärzte oder Telemedizin möglich sind. 

Fachkliniken 
Prof. Augurzky notierte alle Impulse und auch die große Bitte der Teilnehmenden, insbesondere die Besonderheit der Fachkliniken zu berücksichtigen, mit ihren speziellen überregionalen Versorgungs-angeboten. 

Fazit
Am Ende der anspruchsvollen zweistündigen Veranstaltung resümierte er, der enorme und wachsende Fachkräftemangel bewirke, dass viele Vorgaben langfristig wohl nicht alle zu erfüllen seien. Er rechne damit, dass „aus der Not heraus auch wieder eine Zeit der größeren Gestaltungsfreiheit mit mehr Ergebnisverantwortung“ kommen werde. VPKA-Hauptgeschäftsführerin Dr. Ann-Kristin Stenger begrüßte diese Aussicht: „Die Perspektive von Gestaltungsfreiheit und der Schwerpunkt auf der Output-Qualität kommen uns als VPKA entgegen.“